Versäumnisse in der Pflegepolitik sind ein Grund für die emotionale
Diskussion um die einrichtungsbezogene Impfpflicht
Die seit Jahren nicht nachhaltig verbesserte Situation beruflich Pflegender führt
aus unserer Sicht dazu, dass die Diskussion um die einrichtungsbezogene
Impfpflicht aktuell so große Beachtung findet.
Der Pflegerat Sachsen ist von der Notwendigkeit und Wirksamkeit der Impfung gegen
das Coronavirus überzeugt. Wir halten auf der Grundlage des ICN Ethikkodex eine
Impfung für beruflich Pflegende für notwendig und wichtig. Wir werben bei allen
Berufsangehörigen für diese Impfung. Unser Beruf bringt eine Vielzahl von Kontakten
mit sich, umso wichtiger ist dieser wirksame Schutz für alle Beteiligten. Regelmäßiges
Testen kann eine Impfung ergänzen, aber nicht ersetzen.
Die derzeitige Diskussion über die Impfquoten wird auf der Grundlage unzureichender
Daten geführt. Lediglich für stationäre Pflegeeinrichtungen liegen in Sachsen ungefähre
Zahlen zur Impfquote vor. Diese Daten legen nahe, dass die Impfquote von Pflegenden
der der Allgemeinbevölkerung entspricht. Regional und zwischen den verschiedenen
Einrichtungen sind starke Unterschiede zu verzeichnen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass
in Sachsen ein Teil beruflich Pflegender eine Impfung bislang ablehnt. Wir bedauern,
dass die Kommunikation mit den beruflich Pflegenden, der größten Berufsgruppe im
Gesundheitswesen, aufgrund struktureller Defizite wie dem Mangel einer legitimierten
Interessenvertretung - in Form einer Pflegekammer - nicht gut gelungen ist. Dies ist fatal
für die Akzeptanz der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Ein erneutes Beispiel für die
dringende Notwendigkeit der schnellen Einrichtung einer Pflegekammer.
Beruflich Pflegende haben in den letzten zwei Jahren professionell und engagiert, zum
Teil bis zur Erschöpfung, die Versorgung gesichert. Statt einer nachhaltigen
Verbesserung der Arbeits- und Einkommenssituation erleben sie nun eine weitere
Verschärfung der beruflichen Situation mit einer Verpflichtung zur Impfung. Die
versäumte, intensive Diskussion und Begründung vor Einführung der Impfpflicht, führt
in Zusammenhang mit der fehlenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen leider zum
Eindruck, Pflegende werden in ihrer belasteten Situation nicht ernst genommen.
Derzeit herrscht bei Pflegenden erhebliche Unsicherheit zur Impfpflicht und es gibt
offene Fragen zur genauen Umsetzung der Verpflichtung. Die Unsicherheiten und
Bedenken sind ernst zu nehmen. Hier muss schnell Transparenz geschaffen werden
und die Konsequenzen bei nicht Beachtung der Impfpflicht erläutert werden. Leider wirft
die Regelung derzeit noch mehr Fragen auf als Sie Antworten gibt.
Um eine wirkungsvolle und zügige Verbesserung der Situation beruflich Pflegender zu
schaffen, liegen zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch. Wir fordern die Staatsregierung
auf, diese ernsthaft zu prüfen und auf Landesebene (1. und 2.) umzusetzen bzw. sich
auf Bundesebene (3.) dafür einzusetzen.
1. Der neue Impfstoff der Firma Novavax sollte bevorzugt und schnell den von der
Impfpflicht betroffenen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Einige
Pflegende warten auf die Möglichkeit, sich mit diesem Impfstoff impfen zu
lassen. Diese Möglichkeit sollte ihnen schnell eingeräumt werden.
2. Die Einbeziehung von beruflich Pflegenden in politische Prozesse und
Entscheidungen der Selbstverwaltung muss sofort verbessert werden. Eine
Möglichkeit sehen wir in der Schaffung der Stelle eines Pflegebevollmächtigten
der sächsischen Staatsregierung, welcher – bis zur Gründung einer
Pflegekammer – verpflichtend die Belange der Pflegebedürftigen und
Pflegenden innerhalb der Staatsregierung vertritt.
3. Die Einkommenssituation beruflich Pflegender sollte in einem ersten Schritt
durch die Steuerbefreiung von Zuschlägen für besonders belastende
Dienstzeiten und die Erhöhung des Steuerfreibetrages für beruflich Pflegende
rasch umgesetzt werden.
Wenn die geltende Impfpflicht konsequent umgesetzt wird, mit der Folge, nicht
immunisierten Pflegenden eine Weiterbeschäftigung in den Einrichtungen des
Gesundheitswesens zu verwehren, wird das für Pflegeeinrichtungen und
Krankenhäuser eine weitere, erhebliche Herausforderung. Die Belastung wird dadurch
weiter steigen! Hier muss in den Konsequenzen sorgsam zwischen der Sicherstellung
der Versorgung und der Umsetzung des Gesetzes abgewogen werden.
Die Umsetzung der beschlossenen einrichtungsbezogenen Impfpflicht muss sich aus
unserer Sicht an den wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Entwicklung der
Pandemie orientieren. Sollten sich daraus neue Erkenntnisse ergeben, müssen diese
in die Bewertung der Impfpflicht einbezogen und offen kommuniziert werden.