Die weltweite Coronapandemie zeigt uns derzeit deutlich, dass ein "weiter so" auch nach überstandener Krise und mit abnehmenden Neuinfektionen unmöglich ist. Besonders deutlich wird das im Bereich beruflich Pflegender und Hebammen. Das sich derzeit so viele Kollegen, die dem Beruf bereits den Rücken gekehrt hatten, freiwillig melden und wieder in ihrem Beruf arbeiten möchten, macht uns Mut und zeigt, es lohnt sich ernsthaft zu überlegen, wie diese Kollegen dauerhaft zurück gewonnen werden können.
Unsere Berufsgruppe wird weltweit als „Helden der Krise“ gefeiert. Dabei tun wir das, was wir schon immer machen: Professionell Dienst leisten - für Kranke, Alte, Angehörige - schlicht für unsere Gesellschaft. Wir üben professionell und unaufgeregt unseren Beruf aus. Wir leisten ihn zuverlässig, auch in der derzeitigen Krise, hochprofessionell und mit Leidenschaft. Ganz egal ob im Krankenhaus, in der Langzeitpflege oder im ambulanten Dienst.
Dafür erwarten wir keinen Heldenstatus und keine Prämie. Wir erwarten gesellschaftliche Anerkennung, verbindlich geregelte Einbeziehung in politische Entscheidungen sowie dauerhafte Anstrengungen, die Rahmenbedingungen für unsere Berufsausübung zu verbessern.
Zur Zeit heißt es: Durchhalten, Dienst leisten und professionell mit den Herausforderungen umgehen. Dafür leisten zahlreiche Kollegen Extraschichten, nehmen eigene (gesundheitliche) Nachteile und Risiken in Kauf und übernehmen vielerorts besondere Verantwortung. Bei den von COVID-19 betroffenen Menschen, bei den alten, kranken und sterbenden Menschen sind wir auch aktuell als Pflegende ganz nah dran. Wir begleiten Menschen in Zeiten von Mindestabstand in absoluter Nähe. Wir spenden Trost, lindern Leiden und retten Leben. Das haben wir schon immer gemacht, und das werden wir ist auch weiter professionell tun.
Nach dieser Krise aber werden Veränderungen notwendig sein, auch in Sachsen. Die Krise hat uns schmerzhaft gezeigt, wie sehr unsere Gesellschaft auf Pflegende angewiesen ist.
Umso mehr müssen wir uns fragen, wieso die größte Berufsgruppe des Gesundheitswesens in den wesentlichen Gremien des Bundeslandes immer noch nicht vertreten ist. Oft auch nicht in den Krisenstäben im Land. Eine Pflegekammer hätte in der derzeitigen Situation die pflegerischen Reserven gekannt, Personen und Institutionen angesprochen und die vielen Freiwilligen für die Leistungserbringer übergeordnet koordiniert. Auch die Durchführung von Kursen zur Beatmung und zur kurzfristigen Rückkehr in den Beruf hätte eine Kammer übernehmen können - wenn sie denn existieren würde. Ohne diese Möglichkeit bleibt es ein Bitten und Hoffen, dass genügend Freiwillige - da wo sie gebraucht werden - sein werden. Die Koordination dieser Hilfe wird weiterhin dezentral erfolgen müssen und an vielen Stellen auch nicht zuverlässig ankommen.
Es ist nicht mehr die Frage „ob“, sondern lediglich die Frage „wann und wie“ eine Pflegekammer in Sachsen zu gründen ist.
Und JA, auch mehr Gehalt kann natürlich dazu beitragen, dass junge Menschen unseren Beruf so konkurrenzfähig erleben, dass sie ihn dauerhaft ausüben wollen. Dazu ist aber weit mehr notwendig als einmalige Sonderzahlungen. Pflegende müssen dauerhaft deutlich besser vergütet werden. Und es geht um alle Pflegenden: im Krankenhaus, in der Langzeitpflege und im ambulanten Dienst. Hier fordern wir schon lange eine breite gesellschaftliche Debatte um die Frage: "Was ist uns eine sichere pflegerische Versorgung wert?". Für eine verbesserte Finanzierung von Pflege muss auch ein Zuschuss aus Steuermitteln diskutierbar sein.
Wenn die Leopoldina, die nationale Akademie der Wissenschaften, empfiehlt, die Intensivkapazitäten auszubauen, um eine Reserve im Gesundheitssystem für neue Ausbrüche zu bilden, dann zeigt das selbstverständlich auch den deutlichen Bedarf an einer veränderten Pflegepolitik. Denn der limitierende Faktor bei der Behandlung und Bewältigung dieser und zukünftiger Herausforderungen ist nicht die Anzahl der verfügbaren Beatmungsgeräte, sondern die des ausgebildeten und verfügbaren Pflegepersonals, die diese Geräte sicher bedienen und die Menschen an den Geräten versorgen. Diese Kollegen werden zukünftig nur vorhanden sein, wenn der Mut besteht, in Sachsen deutliche Anstrengungen zur Verbesserung der Situation beruflich Pflegender und der Hebammen zu unternehmen. Diese Anstrengungen müssen langfristig angelegt sein.
Um das zu erreichen fordert der Pflegerat Sachsen:
- Einbeziehung von beruflich Pflegenden in allen wesentlichen Gremien des Gesundheitswesens im Freistaat Sachsen,
- die Stärkung der Pflegeausbildung,
- eine deutlich verbesserte Bezahlung aller Pflegenden,
- Ausbau akademischer Strukturen in der Pflege und im Hebammenstudium inklusive der Forschung,
- und die Gründung einer Pflegekammer.
Als Pflegerat Sachsen, die Vertretung der beruflich Pflegenden, stehen wir bereit, diese notwendigen Schritte mit den verantwortlichen in Politik und Gesellschaft zu gehen und inhaltlich schnell mit Leben zu füllen.